Rosenheimer Forum
für Städtebau und Umweltfragen e.V.

Westtangente

Westtangente

 

Die Rosenheimer Westtangente und ihre Folgen

Hier die Fakten:

1. Zur Situation

Wie aus den Medien zu entnehmen ist, hat nun die Bundesregierung in Berlin am Mittwoch, den 8. Februar 2012, grünes Licht für einen Baubeginn der Rosenheimer Westtangente gegeben. Die Euphorie ist unüberhörbar.
Der Ausbau dieser mit 23 Brücken einschließlich der 1,6 km langen Überbrückung des Aichergeländes von der Fürstätter bis zur Schwaiger Hangkante, einschließlich die Überwindung der 38 Biotope auf der über 11 km langen Strecke, ist ein enorm aufwändiges Unternehmen. Ob die Kostenschätzung von € 72 Mio. ausreicht, steht in den Sternen. Jedenfalls dreht es sich hier um das größte Straßenbauprojekt in der Geschichte Rosenheims.
Die lärmbelästigten Bürger an der zur Zeit noch bestehenden B-15- Einfahrtstraße durch die Stadt, dürfen auf eine Abänderung hoffen. Doch wie sieht diese Abänderung aus und wie sind ihre Folgen? Der Auftrag der Bundesrepublik lautet vorrangig, mit dieser Erstellung der B-15- Westtangente den überörtlichen Verkehr von Nord nach Süd, also von Regensburg- Landshut an Rosenheim vorbei fließend, zu gewährleisten. Wie wir wissen, sind 3 Auf- und Abfahrtsstraßen geplant, die von
Bedeutung sind. Welche Vor- und Nachteile bringen diese für unseren städtischen Verkehr?

2. Fragwürdige Verkehrsmaßnahmen

Wie schon von der Planungsseite deutlich zu hören war, bringt diese Westtangente für Rosenheim keine wesentliche Entlastung. Der von der Stadt beauftragte  Verkehrsexperte Professor Harald Kurzak machte vor gut zwei Jahren darauf aufmerksam, dass es vor allem im Norden neben einer Entlastung gerade wegen der besseren Anbindung über die Westtangente an die Autobahn zu erheblichen Mehrbelastungen kommen wird. Zu früheren Bedenken, mit den beiden so nahe liegenden Auf- und Abfahrtsschleifen im Aicherparkgebiet ein Stauzentrum geradezu vorzuprogrammieren, erinnerte Kurzak (wenig überzeugend) an die jeweils geplanten Einfädelspuren von 40 m Länge. Man stelle sich in diesem riesigen Gewerbepark Sattelschlepper oder gar Gigaliner vor einer B-15- Einfahrt vor, die den gewünschten fließenden Verkehr sehr schnell zum Erliegen bringen. Da das gesamte Gebiet um den Aicherpark schon heute ein großes Verkehrsaufkommen aufweist, werden diese beiden erwähnten Anschlüsse über die B-15 zur Autobahn zu den stauneuralgischsten Punkten auf der gesamten Bundesstraße 15 gehören. Die Folge für den  Rosenheimer Westen sind fatal.
Wenn nun der erste Bauabschnitt von der Autobahn bis zum Briefverteilerzentrum an der Staatsstraße 2078 verwirklicht wird, dann hat die Post das
bekommen, was ihr versprochen worden ist: Eine Anbindung an die Autobahn (vielleicht ohne Stau). Umgekehrt funktioniert dieser Zubringer
geradezu nur belastend für den Verkehr zwischen Schwaiger Kreisel und Kolbermoor. Eine dort nötige Ampelanlage bringt den Verkehr zu den
Stoßzeiten immer wieder zum Erliegen.

3. Die großen Opfer Rosenheims für die Westumgehung

Im Jahre 2000 hat das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft- und Forsten einen Waldfunktionsplan für die gesamte Region Rosenheim erstellt, in dem der Fürstätter Wald für unsere Stadt als Klimaschutzwald die höchste Güte aufweist. Im Zusammenhang mit dem Bau der Umgehungsstraße wird auf der gesamten Trassenlänge von der Autobahn bis Pfaffenhofen ein 30 m autobahnbreiter Arbeitsstreifen durch Wald und Wiesen und Biotope bereitgestellt. Mit diesem Streifen mitten
durch den Fürstätter Wald wird die für Rosenheim im Westen bedeutende Klimafunktion und somit die Frischluftzufuhr mit einem Schlag zunichte gemacht.
Und mit diesem Streich werden gleichzeitig das Rosenheimer Naherholungsgebiet auf der gesamten westlichen Länge geopfert. Im Zusammenhang mit dem Planungsauftrag hat man von „Abwägen“ gehört – von einem ernsthaften alternativen Erholungskonzept ist bis heute nichts zu sehen.
Mittels dem doppelten neuralgischen Verkehrsknotenpunkt im Aicherpark staut sich die Autoschlange gerade dort, wo man diese nie haben wollte –
nämlich von Norden kommend im „Fürstätter Wald“ (das Klima vollends zunichte machend) und von Süden kommend in der Senke der landschaftsgeschützten Kaltenaue bei Westerndorf am Wasen.

4. Verbesserungsvorschläge zur Verkehrslage

Wenn es darum geht, Rosenheim vom belastenden Verkehr zu befreien, dann sind die Wege zu diesem Ziel entscheidend. Die Westumgehung kann es nicht sein, das Elektroauto ist nur eine kleine Begleiterscheinung. Was wir brauchen sind politische Entscheidungen, verkehrsreduzierende Maßnahmen, die aus dem Umdenken heraus eine deutliche Wende in unserem Tun und Handeln herbeiführen. Das Parkplatzangebot in der Stadt muss wesentlich reduziert und das Parken teurer werden. Straßen- und Brückenbau muss sich auf das Notwendigste konzentrieren. Die dadurch eingesparten Mittel fließen in einen moderneren öffentlichen Nahverkehr
mit überregional durchdachten Konzept, d.h. auch mit günstigsten Fahrtkosten für den Bürger. Der Trend, dass wer Straßen sät, Verkehr
erntet, hat sich leider unerfreulich bewahrheitet und muss in „neue Bahnen“ geleitet werden.
Für die betroffenen Anlieger an der vorhandenen B-15 von Pfaffenhofen über Westerndorf St. Peter durch Rosenheim hätte schon lange ein Durchfahrtsverbot für Schwerlastverkehr politisch durchgesetzt werden müssen. Brummis gehören auf die Autobahn.

5. Fazit

Man kann den Bürger heute nicht mehr mit fadenscheinigen Verkehrslösungen locken und mit Argumenten des ewigen Wirtschaftswachstums neue Gewerbe- Ballungszentren servieren und gleichzeitig geradezu naturfeindlich unverantwortlich Landschaftsverbrauch betreiben. Landschaftsschutz, Naherholung, Klimaschutz und lebenswichtige Frischluftzufuhr werden leichtfertig (und vielleicht sogar aus Unwissenheit) unwiederbringlich geopfert. Man merkt, dass der Bürger über die Realität dieses Bauvorhabens „Westtangente“ nicht viel weiß und die Politiker im Grunde nicht mehr wissen. Die vertröstenden Auskünfte, dass Panorama- Schwaig erst
funktioniert, wenn die Westumgehung gebaut ist, und diese wiederum Rosenheim erst wirklich entlastet, wenn es eine dritte Innbrücke , also eine Ostumgehung gibt, sind nicht vertrauenswürdig.

Da es sich hier um eine Bundesstraße handelt, kommt für die Kosten der Bund auf. In der gesamten Planungsphase hat sich die Stadt Rosenheim im Stillschweigen geübt, um dieses Geschenk nicht zu gefährden. Die be- und entlastenden Prognosen der geplanten Westumgehung müssen von den Verkehrsexperten bis ins Detail offen gelegt werden. Der Bürger hat das Recht, reinen Wein eingeschenkt zu bekommen.

Inzwischen erfolgte der Baubeginn des 1.Bauabschnitts

Gegen den Planfeststellungsbeschluss lagen 27 Klagen vor. Im September 2007 hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zwei Besichtigungstage angesetzt, um sich vor Ort ein Bild zu machen und die Einwände der Betroffenen persönlich anzuhören.Für den 24./25 September 2008 im Verwaltungsgericht München die mündliche Verhandlung anberaumt.

Nachdem die Planung einer B-15-neu (Regensburg – Landshut über Ellmosen zur Autobahn A8) um 1990 zugunsten eines Ausbaus des alten B 15 mit gezielten Ortsumgehungen zurückgestellt wurde (nicht aufgegeben!!), begann die Suche nach einer neuen Verkehrslösung im Raum Rosenheim. Treibende Kräfte sind neben den wirtschaftlichen Interessen der stetig zunehmende Verkehr in Stadt und Land (mit Ziel- und Quellverkehr) sowie der überregional wachsende Fernverkehr, vor allem die „rollende Landstraße“ samt Mautflüchtlingen.
Dabei geht es im Wesentlichen um den Ausbau der Zubringerstraße zur Autobahn und einen Verkehrsring um Rosenheim in drei Etappen:

1. Panorama – Schwaig
2. B15 – Westtangente (Autobahn – Aicherpark – Öllerschlößl – Pfaffenhofen)
3. und als Vollendung des Ringes die Erweiterung der Ostumgehung von Schloßberg über eine dritte Innbrücke nach Pfaffenhofen.

Nachdem die stets noch fortschrittsgläubige Gesellschaft im Trend der alten Lösungen die Probleme bis heute immer nur vor sich hergeschoben hat, ist teilweise ein Umdenken erkennbar. Für viele Verkehrsplaner ist die Zeit gekommen, beispielsweise den quer- und alternativ denkenden Experten am Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der TU Wien, Professor Hermann Knoflacher, ins Boot zu holen.
Vor 20 Jahren hat man Gutachterexperten ausgelacht, die vor massiven herkömmlichen Straßenbaulösungen und wachsenden Problemen gewarnt und darauf hingewiesen haben, dass nur verkehrsberuhigende Maßnahmen gepaart mit einem öffentlichen Nahverkehrskonzept greifen. Der Fernverkehr müsse weitläufig über die Autobahnen gelenkt werden.
Die Verantwortlichen in der Stadt Rosenheim sind mehrheitlich jedoch nicht einmal bereit, sich mit der seit 15 Jahren aktiven Interessensgemeinschaft RoRegio auf eine ernsthafte Diskussion einzulassen.

Wenn man an die betroffenen Anlieger in der Stadt denkt, möchte man ihnen schnellstmöglich den Straßenring wünschen, wenn dieser nur die Lösung aller Probleme wäre.
Sichtbares Zeichen einer Sackgasse jedoch ist inzwischen die Tatsache, dass die fertiggestellte Südspange Panorama – Schwaig nicht nur in den Stoßzeiten in einen höchst staugefährdeten Engpass nach und über Kolbermoor hinaus führt.

Von dem ernormen Eingriff in die Natur und dem nicht mehr gut zu machenden Schaden sprechen nur Wenige:
Das oft erwähnte einmalige Schutzgebiet der Kaltenaue im Süden Rosenheims bei Westerndorf am Wasen wird von der Autobahn her über dem Höhenzug bei Stocka in Richtung Schlipfham und Pösling über ca. 1,2 km Länge in einer Aufschüttungshöhe bis zu 5 m geradewegs durchschnitten und zerstört.
Im Waldfunktionsplan von 2000, hat das Forstamt in der gesamten Region alleine den Fürstätter Wald in seiner Klima- und Naherholungsfunktion als besonders schützenswert dargestellt. Mit dem Bau der B15 mitten durch dieses Gebiet wird genau diese zerstört. Mehrere schützenswerte Kerbtäler werden durchschnitten und verrohrt, 39 amtlich kartierte Biotope werden zerschnitten oder überquert.
Die Trasse kann von Fußgängern und Radfahrern nur noch durch Über- oder Unterführungen gequert werden.

Darf so eine für Mensch und Tier wertvolle Landschaft, die unsere Lebensgrundlage darstellt, für ein derartig fragwürdiges und absehbar nicht nachhaltiges Projekt unwiederbringlich geopfert werden?

Ausschnitt Planung Brücke über den Aicherpark
(Stand Planfeststellug ca 2000)

die Pläne (der jetzige Stand kann davon abweichen)
können als PDF heruntergeladen werden

Ein paar Daten

– geschätzte Kosten 70Mio € (2003) ohne Grunderwerb
– Flächenbedarf ca. 40ha
– Baulänge ca. 12km (Abschnitt Süd 5km – Abschnitt Nord 7km)
– Brückenbauwerke 21, davon 1 Grossbrücke über das Aichergelände (600m lang, bis 6m hoch aufgeböscht, Fahrbahnbreite 8m, mit bis zu 3m hohen Lärmschutzwänden)
– 17 Durchlässe für Bäche und Gräben
– Rodung von 5ha Wald (Naherholungsgebiete von Rosenheim, u.a. Keferwald, Ferdinand-Schlögl-Weg wird unwiederbringlich zerstört)
– Zerschneidung und Querung von 39 amtlich kartierten Biotopen
– Zerstörung der Naturlandschaft für Tiere und Menschen.
– Trasse kann von Fussgängern und Radfahrern nur noch durch Über- oder Unterführung gequert werden.
– Starke Belastung durch Lärm und Abgase über weite Distanzen (insb. wegen der Höhenlage !!)

Auszug der Stellungsnahme des Rosenheimer Forums zum Planfeststellungsverfahren vom 02.03.2001:

……. Das Problem des motorisierten Individualverkehrs im Verdichtungsraum Rosenheim / Mangfalltal entsteht hauptsächlich aus Ziel- und Quellverkehr innerhalb der Gemeinden sowie aus Binnenverkehr in Ermangelung eines vernünftigen ÖPNV-Systems. Das motorisierte Verkehrsaufkommen in der Stadt Rosenheim besteht zu einem erheblichen Anteil aus Strecken, die unter fünf Kilometer Länge betragen. Der Durchgangsverkehr in Nord-Süd-Richtung hat am Gesamtverkehrsaufkommen nur einen geringen Anteil.
Die prognostizierten Entlastungen der Westtangente werden innerhalb der Stadt Rosenheim nicht eintreten.
Es ist vielmehr mit einer Zunahme des weiträumigen LKW-Verkehrs zu rechnen, der die Anbindung der B 15 an die Autobahn als Umfahrung von München im internationalen Nord-Süd-Verkehr benutzen wird.
Mit dem Versprechen, die Stadt und den Raum Rosenheim von seiner hausgemachten Verkehrsmisere zu befreien, wird in Wirklichkeit das Ziel verfolgt, die B 15 in einer Weise an das Autobahnnetz anzubinden, die der Gesamtfunktion der B 15 als weiträumiger europäischer Straßenverbindung dienen soll. Die Funktion als Entlastungsstraße für Rosenheim ist angesichts der im Auslegungsverfahren veröffentlichten Verkehrberechnungen und –prognosen nicht erkennbar und wird bezweifelt. …….

Leserbrief – Mangfall Bote 21. 12. 2007

„Verkehr als Dauerbrenner“
Verkehrschaos vorprogrammiert

„Wer Straßen sähet wird Verkehr ernten“ dieses Sprichwort hat sich bisher immer bestätigt. Auf der Staatsstraße von Rosenheim nach Bad Aibling sieht man deutlich die Verkehrszunahme durch die Südumgehung Rosenheim und Bad Aibling. Dazu dann noch neue Gewerbegebiete in Kolbermoor und niemand braucht sich über Staus zu wundern. Die Rosenheimer Westumgehung, Bürgermeister Kloo spricht von der B15 West, als Entlastung für die Kolbermoorer Verkehrssituation darzustellen, ist wohl mehr als nur „blauäugig“. Allein die geplanten zwei Anschlussrampen zum 600 m langen Brückenbauwerk im Aichergelände und die mit den Einschleiframpen an der Staatsstraße neu entstehende Kreuzung im Bereich des Briefverteilungszentrums, werden eine schon jetzt vorhersehbare Belastung für das Kolbermoorer Straßennetz bringen. So würde die Westumgehung Rosenheim nicht nur unsere Landschaft und Naherholungsgebiete zerstören, sondern das Verkehrschaos endgültig perfekt machen.

Gertrud Helbich (Bund Naturschutz Kolbermoor)

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