Oktober 2017
Es wird ein vorhabenbezogener Bebauungsplan diskutiert, der neben einem Hotel v.a. eine massive Wohnbebauung vorsieht. Empfohlen wird dabei eine Variante, in der die Verkehrserschließung ausschließlich über die Happinger Straße erfolgt.
Das Rosenheimer Forum für Städtebau und Umweltfragen wird sich dazu noch äußern.
September 2016
Zu einem Bebauungsplanung ohne Einzelhandelsnutzung nimmt das Rosenheimer Forum für Städtebau und Umweltfragen ebenfalls Stellung. Die Stellungnahme finden Sie hier:
Januar 2014
Im Rahmen der frühzeitigen Behördenbeteiligung nimmt das Rosenheimer Forum für Städtebau und Umweltfragen wie folgt zum Vorhaben Stellung:
Das Rosenheimer Forum für Städtebau und Umweltfragen wendet sich entschieden gegen den Vorentwurf für den Bebauungsplan 26a „Miesbacher Straße / Kufsteiner Straße (B15)“. Für die so genannte Baywa-Wiese wurden seit vielen Jahren die unterschiedlichsten Nutzungen verfolgt, so dass sich der Eindruck einer Ziellosigkeit ergibt, der jedwede Nutzung recht ist. Die jetzt vorgelegte Planung orientiert sich offenbar weder an Bürgerinteressen noch an einer stadtteilorientierten Stadtentwicklung, sie kombiniert Nutzungsarten in nicht nachvollziehbarer Weise, zerstört die letzten Reste einer historischen Grünzäsur, verdrängt die nicht gelöste Verkehrsproblematik und nimmt keinerlei Bezug auf das in Arbeit befindliche Stadtentwicklungskonzept.
Stadtteilentwicklung
In Kaltwies hat sich ein Stadtteilzentrum gehalten und entwickelt, das vielen Menschen, auch Älteren, in diesem Bereich Güter und Dienstleistungen für den Alltag auf kurzen Wegen bietet, fußläufig oder mit dem Fahrrad erreichbar. Erst in den 80er Jahren wurde ein Gebäude errichtet, in dem neben Wohnungen auch Räume für eine echte Nahversorgung realisiert wurden. Um dieses Gebäude herum, Ecke Happinger Straße / Traberhofstraße, finden sich ein Metzger, ein Bäcker, ein Gemüse- und Getränkehändler, eine Apotheke, ein Blumenladen, zwei Kreditinstitute, ein Arzt, ein Zahnarzt, ein Tierarzt, ein Friseur, eine Fahrschule und ein Restaurant. Im Sommer hat ein Lebensmittelladen aufgegeben, evtl. auch deshalb, weil in letzter Zeit eine zusätzliche Konkurrenz von der Baywa-Wiese her und damit ein zu hohes unternehmerisches Risiko drohten. Mit der jetzt vorgelegten Planung wird die Konkurrenz zum Stadtteil-Zentrum verstärkt: Die Chancen, im jetzigen Leerstand einen anderen Lebensmittelladen anzusiedeln, werden entscheidend gemindert, wenn in nächster Nachbarschaft eine Konkurrenz entsteht, die nicht nur einen Discounter sondern auch einen Drogeriemarkt und als „kleinteilige Ergänzungen“ voraussichtlich auch noch einen Bäcker und einen Metzger umfasst. Der Planungsentwurf ist für die Menschen im Stadtteil Kaltwies äußerst negativ. Die Planung gefährdet die positiven Errungenschaften der letzten Jahrzehnte.
Die vorliegende Planung nimmt die Erfahrungen der letzten Jahre nicht zur Kenntnis, wonach der Verlust eines „Ankerbetriebs“, wie es ein Lebensmittelgeschäft ist, die Lebensqualität von Stadtteilen mindert und eine Abwärtsspirale auslösen kann, die nach und nach zum Verlust weiterer Güter- und Dienstleistungsangebote im Stadtteil führt. Die Evaluation von „Soziale Stadt“-Projekten hat für Bayern wie für Deutschland insgesamt ergeben, dass solche Entwicklungsdynamiken in 80 % der geförderten Gebiete eine entscheidende Ursache für den Sanierungsbedarf waren. In Kaltwies wurden in den letzten Jahren öffentliche Gelder von Bund, Land und Stadt in Millionenhöhe eingesetzt, um den Stadtteil zu stabilisieren und aufzuwerten. Mit der jetzigen Planung werden die unbestreitbaren Erfolge des „Soziale Stadt“-Projekts in Kaltwies gefährdet und vermutlich weitgehend zunichte gemacht. Dies ist unverständlich und ärgerlich, weil es nicht nur die bisherigen Planungserfolge konterkariert, sondern auch die Wirksamkeit von Fördermitteln untergräbt. Haushaltsdisziplin zeigt sich auch in der Effektivität von Programmen. Es wäre deshalb darauf hinzuwirken, dass die Erfolge der „Sozialen Stadt“ gefestigt werden und im jetzigen Leerstand Happinger Straße / Traberhofstraße ein neues Lebensmittelgeschäft entsteht, das für das Stadtteilzentrum stabilisierend wirkt. Mit den neuen Nutzungen auf der so genannten Baywa-Wiese wird das jedoch untergraben.
Ein Hotel, ein Drogeriemarkt oder ein (Hard-)Discounter zielen nach anerkannten Planungsgrundsätzen genuin nicht auf die Nahversorgung, sondern auf das Abschöpfen der überörtlichen Kaufkraft. Die Qualität der Nahversorgung wird hiermit der Maximierung privater Umsätze durch Abschöpfen von Pendler-Kaufkraft geopfert.
Es wäre bei der Obersten Baubehörde zu erkunden, ob mit der vorgelegten Planung nicht die Rückzahlung von erhaltenen Fördermitteln verbunden sein kann. Auch wenn das vermutlich nicht der Fall ist, muss man konstatieren, dass es aus Steuerzahlersicht angebracht wäre.
Zufallsnutzungen
Unverständlich ist das unvermittelte Nebeneinander von Sondergebiet, Gewerbegebiet und Wohngebiet. Insbesondere die Einstreuung des kleinen Gewerbegebiets ist fragwürdig: Wenn ein Wohngebiet im Süden direkt neben der Ausfallstraße möglich erscheint – offenbar weil ein zunehmender Wohnraummangel für Rosenheim prognostiziert wird – dann sollten auch die übrigen Flächen der Wohnungsversorgung dienen und nicht einem eingestreuten Gewerberiegel zur Verfügung gestellt werden, für den es keinen Bedarf gibt: Gegenüber, nordöstlich der Kreuzung Miesbacher Str. / Kufsteiner Str. befindet sich eine Reihe von Gewerbeimmobilien, die seit längerer Zeit immer wieder ungenutzt sind. Die geplante Wohnnutzung wird nach der vorliegenden Planung nicht nur den Immissionen durch die Kufsteiner Str., sondern auch den vom (überflüssigen) Einkaufszentrum ausgehenden Emissionen ausgesetzt. Wenn schon wertvolle Naturräume zerstört werden sollen, dann sollte die Nachfolgenutzung nicht noch zusätzliche Belastungen für die Bewohner bringen.
Historische Grünzäsur
Das neue Baufeld greift massiv in die noch vorhandene ursprüngliche Kaltenaue ein. Die Mühle, die bislang als historisches Denkmal in eine entsprechende Landschaft eingestellt ist, verliert ihren naturräumlichen Hintergrund. Auch das Stadtbild, das bislang noch als ablesbare Teilräume erlebbar ist – auf der einen Seite Heilig-Blut mit seiner Wallfahrtskirche, Kaltwies und dem Beginn Rosenheims, auf der anderen Seite der Landschaftsraum der Kalten als Grünzäsur – wird ersetzt durch einen Bebauungsbrei. Der schon damals abzulehnende Eingriff durch die Situierung des „Panorama- Einkaufzentrums“ in die Auenlandschaft am Rand von Heilig- Blut wird fortgesetzt. Für das Stadtbild wichtige Freiräume werden ohne übergeordnete Planungsziele dem Flächenfraß geopfert.
Verkehrsproblematik
Massive Bedenken bestehen ferner hinsichtlich der geplanten Erschließungsstraße parallel zur „Panorama-Kreuzung“. Das geplante Einkaufszentrum ist wegen der Belastung der Kreuzung nur über die Happinger Straße oder als Einfahrt über die Kufsteiner Straße von Süden her erreichbar. Ersteres führt zu erheblichem Anschwellen des Verkehrs (ca. 3500 zusätzliche KFZ/Tag durch das Einkaufszentrum in der eh schon stark befahrenen Happinger Straße), Zweiteres zeigt die eigentliche Ausrichtung des Einkaufzentrums zu überörtlichen Nutzern und nicht die Orientierung als Nahversorgung des Quartiers Kaltwies und Happing. Die Erschließung des Einkaufszentrums an diesem verkehrlichen Brennpunkt ist nur mit „Klimmzügen“ einer angepassten Ampelsteuerung lösbar und lässt schon jetzt keinen Spielraum mehr für die allgemein prognostizierten weiteren Verkehrszunahmen erkennen. Überdies bedarf die Ampelsteuerung einer weiteren Überarbeitung und ist folglich daher nicht einmal gesichert. Es ist offensichtlich, dass die durch das Vorhaben ausgelösten Verkehrsströme diesen Verkehrsknoten überfrachten. Warum die Stadtplanung an dieser Stelle dem Interesse des Vorhabensträgers folgen soll, ist in keiner Weise nachvollziehbar.
Die Nutzung des Geländes als Einkaufzentrum, als Magnet für den damit induzierten Verkehr, widerspricht den Zielen der Verkehrsvermeidung und somit langfristigen Zielen wie der Energiewende. Zudem steht sie im Widerspruch einer dem Namen entsprechenden realen „Nahversorgung“ bezogen auf das angrenzende Quartier, weiterhin dem Erhalt der Heimat, pfleglichen Umgangs mit der Natur und des Stadtbildes und ist folglich abzulehnen.
Resümée
Insgesamt ergibt sich der nicht neue Eindruck, dass fallweise, nach externen Wünschen und Gelegenheiten und nicht nach einem langfristigen Gesamtkonzept geplant wird. Es ist überaus bedauerlich, dass nirgendwo auf das künftige Stadtentwicklungskonzept Bezug genommen wird. Warum ist ein Stadtentwicklungskonzept überhaupt in Arbeit, wenn selbst größere Flächen wie die Baywa-Wiese ohne Rücksicht darauf überplant werden?